Heute möchte ich euch einen Sachverhalt aus der Myrmekologie vorstellen, der selbst vielen an Ameisen interessierten Personen grösstenteils unbekannt sein sollte.
Ameisenlarven werden generell sowohl mit flüssiger als auch fester Nahrung gefüttert. Wie bei Cassill & Tschinkel 1995 beschrieben, stellte sich bei der Feuerameise Solenopsis invicta heraus, dass die Larven nach ganz bestimmten Mustern mit Nahrung versorgt werden. Die Arbeiterinnen patroullieren im Nest zwischen allen Larven, so dass jede innerhalb weniger Sekunden befühlert wird. Diese Befühlerung dient dazu, den Hungerstatus der Larve festzustellen. Neben den Antennen können hierbei auch die Maxillenpalpen oder die Glossae (i.e. Zunge) involviert sein. Nachdem der Hungerstatus festgestellt wurde, wird die Larve im Rahmen einer binären Antwort (Füttern oder nicht füttern) in Abhängigkeit von ihrer Körpergröße mit Nahrung versorgt. Weder die Position der Larve auf einem Ballen noch die Größe oder der Hungerstatus benachbarter Larven beeinflussten die Fütterungsrate. Aus dem Grund ist anzunehmen, dass jede Larve individuell versorgt wird. Interessanterweise ist in der Erforschung des Fressverhaltens von Ameisenlarven flüssige Nahrung im Schwerpunkt, die Allokation fester Nahrung hat deutlich weniger Aufmerksamkeit erregt. Obwohl Ameisen sehr oft Insekten eintragen und diese einen Hauptbestandteil ihrer Nahrung darstellen, ist die Quantität der Verfütterung dieser an die Larven selten (1-4% der Nahrung).
Dieser Sachverhalt wurde von Cassill et al. 2005 näher untersucht. Die Forscher benutzten die Ameise Pheidole spadonia als Modellorganismus. Es stellte sich heraus, dass die Larven keine feste Nahrung direkt aufnehmen. Zwar legten die Arbeiterinnen zerteilte Brocken von Fruchtfliegen auf den Futterkorb (i.e. der vordere Teil des Bauches) von Larven. Diese bissen Löcher in die Futterbrocken, um ihren Verdauungssaft in diese zu injizieren, ähnlich wie bei Spinnen. Anschließend führen diese Verdauungssäfte eine Verflüssigung der Insektenpartikel herbei. Nachdem die Arbeiterinnen nun diesen Saft aufnehmen, verfüttern sie diesen kurz danach wieder an die Larve. Im Endeffekt bedeutet das, dass die Arbeiterinnen und Larven eine Arbeitsteilung bei der Verdauung von Futtertieren eingehen.
Inwiefern dieser Zusammenhang übertragbar auf andere Ameisenarten ist, bleibt offen. Jedoch erscheint es wahrscheinlich, dass der Verflüssigungsprozess auch dort durchgeführt wird, betrachtet man doch den im Bauch von Larven den immer gleichmässig runden-elliptischen Darminhalt. Würden die Larven feste Brocken aufnehmen, müsste man auch einen unregelmässig geformten Darm wahrnehmen können.
Ponerinen sind Ameisen, die sich vorwiegend zoophag ernähren. Hierbei werden die Larven oft direkt an das erlegte Futtertier angesetzt und diese ernähren sich selbstständig. Die Larven dieser Ameisen sind dazu auch in der Lage, da ihre Körperbewegung viel stärker ausgeprägt ist. Da man oft beobachten kann, dass die Larven auf dem Futtertier verbleiben bis sie gesättigt sind, ist anzunehmen, dass sie die verflüssigte Nahrung anschließend selbstständig aufnehmen können. Um diesen Sachverhalt zu klären, sind jedoch noch weitere Studien notwendig.
In den folgenden Videoaufnahmen wird gezeigt, wie Larven von der afrikanischen Schnappkieferameise Odontomachus assiniensis und der europäischen Ameise Myrmica rubra sich mit Nahrung versorgen bzw. versorgt werden.