Erbschleicher im Wespenreich

Bei dem Errichten eines Wespennestes erhält die Erbauerin oft Hilfe von fremden Wespen – damit diese nach dem Tod der Besitzerin dieses erben können. Lange wurde gerätselt, warum fremde Tiere so bereitwillig ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen – bis die Britin Ellouise Leadbeater und ihre Kollegen laut einer aktuellen Ausgabe von „Science“ dahinter kamen. Sie beobachteten den Nestbau bei der primitiven Wespe Polistes dominulus in über 200 Nestern und überprüften mit Hilfe von genetischen Verwandtschaftsanalysen, von welcher Wespe der Nachwuchs im Nest stammte. Es stellte sich heraus, dass zu Lebzeiten der Nestbesitzerin nur ein Drittel der Nachkommen von der helfenden Wespe stammt – eine Menge, bei der es sich nicht auszahlen würde, als Diener zu agieren. Stirbt die Nesteigentümerin jedoch, erbt die Helferin das Nest und kann sich zahlreich fortpflanzen – fast drei Viertel der Nachkommen stammen nun von der ehemaligen Arbeitskraft. Da ein älteres, von mehreren Wespen erbautes Nest deutlich mehr Raum für die Brut bietet und besser vor Räubern schützt als eine selbst erbaute kleine Bleibe, ist dieser Besitzwechsel sehr attraktiv. Doch allzu oft tritt dieser Fall leider nicht ein, die Nestbesitzerinnen haben einen starken Überlebenswillen – lediglich zehn Prozent sterben innerhalb eines Jahres. Trotzdem ist diese geringe Chance auf das sehr reiche Erbe aussichtsreich genug, dass sich andere Wespen stets bereitwillig als Diener zur Verfügung stellen. Auch einige Menschen handhaben es ähnlich und stellen sich in den Dienst älterer Personen, um ihr Vertrauen zu gewinnen und am Ende ihr Eigentum zu erben. Doch auch hier trotzt der Senior gerne Jahr für Jahr dem Tod, so dass das Dienerdasein kein Ende nimmt – jedoch aufgrund der Chance auf einen reichen Lohn stets fortgeführt wird.


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